Lisa Hockemeyer: Mats, du sagtest gerade “Jestem“ ?
Mats Bergquist: Jestem! Ich bin!
L. Wie eine Spur von Dasein?
M. Ja, wie ein Beweis. Ich beschäftige mich sehr mit den Dingen, die ich gesehen habe. Niemand sieht jemals dasselbe. Selbst wenn wir zu zweit die Straße entlanggehen, sehen wir andere Dinge. Jestem! Es ist auch eine Bestätigung unserer Existenz, wie etwas, das wir gern von einer vermissten Person hören würden: Ich existiere!
L. Du bestätigst deine Existenz durch deine Werke?
M. Genau, ich erkläre meine Existenz durch meine Kunstwerke, weil das der Weg für mich ist, mich auszudrücken. Wie Goethe sagte: “Bilde Künstler! Rede nicht!” Ich kommuniziere durch meine Kunst. Ich rede nicht viel.
L. Die Weise, wie du deine Kunstwerke erschaffst, ist ein sehr körperlicher Akt und auch die Werke selbst haben eine starke Materialpräsenz. Technik, Verfahrensweise und Arbeitsprozess scheinen für deine Kunst eine wichtige Rolle zu spielen. Kannst du mir mehr über deine Herangehensweise an die Technik und an das Handwerk erzählen?
M. Heutzutage erweckt Technik immer Neugier sowie auch Respekt gegenüber der traditionellen Malerei. Begonnen habe ich mit meinen Zeichnungen in indischer Tinte auf Reispapier. Ich habe auch in Öl auf Leinwand gearbeitet und die Ölfarbe dann wieder mit Terpentin entfernt. Die Dinge fingen ganz langsam an sich zu entwickeln, über einen Zeitraum von 30 Jahren. Sie sind gewachsen, haben an Volumen zugenommen und sind ins Relief übergegangen. Manchmal bin ich einen Schritt beiseitegetreten und plötzlich haben sich meine Arbeiten in Skulpturen verwandelt, und wenn ich dann wieder einen Schritt zurück gegangen bin, wurden sie wieder zu Reliefs.
L. Du hast Malerei studiert, aber deine Arbeiten sind gekennzeichnet von einer starken Affinität für Materialien per se und Techniken. Du hast einmal gesagt, dass deine Herangehensweise an Materialien und Techniken ihren Ursprung im nordischen Hintergrund deiner künstlerischen Ausbildung hat.
M. Ja, als junge Künstler haben wir uns immer in Stockholms Restaurants, Bars und Cafés getroffen und eine Menge diskutiert. Wir haben die Werke von Künstlern wie Monet und Picasso genau studiert und sie dann miteinander verglichen, dabei wurde immer viel über Technik gesprochen. Egal ob wir über Twombly, Pointillismus oder Fotografie diskutiert haben, die Technik war immer zentrales Thema unserer Diskussion und hat unsere Neugier geweckt. Wir hatten großen Respekt für die Materialien, die wir verwendet haben. Wir haben zum Beispiel nicht mit Öl auf Papier gemalt, wie man es oft im Süden sieht und was diese großen Flecken verursacht, die nach ein paar Jahren auftauchen… Ja, ich denke es ist sehr nordisch.
L. Du findest Bestätigung von Jestem, “ich bin”, in deinen fertig gestellten Arbeiten. Was den handwerklichen Prozess angeht, durch den die Arbeiten entstehen, ähnelt der einer Art des Meditierens?
M. Auf jeden Fall. Es ist die Suche selbst, die Reise, die mich interessiert, nicht das Ankommen. Es dauert einen Monat, bis ich ein weißes Quadrat, einen weißen Kubus fertig gestellt habe. Danach hänge ich ihn an die Wand, stelle ihn auf den Boden, auf den Tisch – und da ist es: Dieser Monat ist Vergangenheit. Ich war präsent. Dies ist mein Beweis. Jestem!
L. Hast du immer in derselben Technik gearbeitet?
M. Nein, ich habe auch immer wieder Seitenwege eingeschlagen und mit vielen verschiedenen Materialien gearbeitet, wie Kupfer und Marmor. Aber es ist immer wieder der gleiche Knoten, den ich zu lösen versuche, indem ich Material abtrage, reduziere. Auch ganz am Anfang, als ich noch mit Öl gemalt habe, habe ich die Farbe immer wieder entfernt. Nun, bei meinen aktuellen Arbeiten, trage ich das Material wieder ab, indem ich das Holz mit Sandpapier bearbeite. Auch die Farben verschwinden und alles was bleibt ist Weiß und Schwarz.
L. Wegnehmen, entfernen, was bedeutet das für dich?
M. Es hilft mir herauszufinden, was wichtig ist.
L. In den letzten Jahren hat deine Suche nach dem Wesentlichen dazu geführt, dass du dich vor allem auf die Ikone als die ideale Form der Repräsentation konzentriert hast.
M. Mich fasziniert die der Ikone innewohnende Konzentration; der gesamte Prozess, der zu ihrer Entstehung und ihrem Leben danach geführt hat. Mich fasziniert ebenso der Mönch, der sie gemacht hat, angefangen bei dem Moment, als er geplant hat sie zu malen, die Zeit, die er dafür benötigt hat, seine Gebete. Wenn die Ikone einmal beendet war, wurde eine Kerze darunter gestellt, das Licht steigerte die Konzentration, die der Gläubige oder jeder andere sucht, wenn er betet. Die Ikone ist wie ein Gefäß für den vollkommenen Glauben.
L. Du sprichst aus eigener Erfahrung, denn du hast mit Mönchen in einem Kloster gelebt. Dort hast du gewohnt und gearbeitet?
M. Ja, das ist richtig. Ich war sehr neugierig, es war ein Tal in meinem Leben. Mich hat das Leben in einem Kloster immer sehr fasziniert und ich wollte es ausprobieren. Viele meiner Arbeiten sind in Klöstern und Kirchen verblieben.
L. Deine Ikonen sind frei von bildlicher Darstellung, aber sie haben die Kraft den Betrachter dazu einzuladen innezuhalten, nachzusinnen, in sich hinein zu schauen.
M. Ganz genau, ich mag die Vorstellung, dass sie wie Gefäße sind für jene Fragen, die wir uns alle stellen. Aber da gibt auch diese äußere Seite, die ich nicht kontrollieren kann, nämlich die Reaktion der Betrachter: Jene, die lachen, jene, die weinen, jene, die beten. Mir ist es sehr ernst mit dem, was ich tue. Ich bin ein Meister darin, einen weißen Kubus zu kreieren. Es kostet mich einen Monat es zu tun.
L. Wann weißt du, dass eine Arbeit fertig ist?
M. Ich weiß es einfach, denn da gab es diese lange Vorbereitung und die Ausführung, Schicht für Schicht. Ein Atmen, eine letzte Berührung mit dem Pinsel und ich weiß, dass ich angekommen bin, denn ich habe alles gegeben. Dann ist die Arbeit fertig. Jestem!
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