Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung - 2012

Über tausend Brücken musst Du geh’n

Vita Von Wedel

“Im feinen Harvestehude zeigt Nanna Preußners unter dem Titel „Hypericum“ die stillen Wandobjekte des Schweden Mats Bergquist. 1960 in Stockholm geboren, brachte die Arbeit des Vaters, eines Pastors, die Familie von 1965 bis 1973 nach Russland und Polen. Dort lernte der junge Bergquist die allgegenwärtigen Ikonen kennen, jene heiligen, auf gebogener Holzoberfläche gemalten Bilder, die bis heute ein deutliches Echo in seinen Objekten hinterlassen. Die Bilder sind verschwunden – oder vielleicht noch da, wie die während des mittelalterlichen Bildersturms zum Schutz weiß übertünchten Heiligenbilder in den Klöstern und Kirchen. Es sind die Oberflächen, die erlebt und eigentlich auch ertastet sein wollen: Bergquist arbeitet mit der anachronistisch langwierigen Technik der Enkaustik.

 

Er trägt in einem, bis zu einem Monat dauernden handwerklichen Prozess auf eine – auf Linden-, Birnen- oder Birkenholz aufgezogene – dünne Leinwand Gips, Leim und Wachs auf, immer wieder abgeschliffen und neu aufgetragen. Das Ergebnis sind matt schimmernde Flächen, die die Ansichtsseite überziehen, in sich gelegentlich wolkige Tiefe widerspiegelnd. Die Nicht-Farben Weiß und Schwarz sind die Bedeutungsträger, gelegentlich kombiniert und kontrastiert mit Flächen samtig-pudriger Pigmente. Man weiß nicht, ob die Flächen gebogen oder gerade sind – ob Oberfläche oder tatsächlich ein präzise ins Holz geschnittenes Fenster, wie in einem unbetitelten 38 mal dreißig Zentimeter großen Objekt (2010; 3500 Euro). Das Hauptstück ist das sechsteilige „Beth Lechem“ (Enkaustik auf Holz, 2008; 20.000 Euro), dessen größere Formen die Maße des Eingangs zur Geburtskirche in Bethlehem aufnehmen.”

 

Contact me